BlogReflexionen

Homosexuelle/r Christ/in : ein Widerspruch in sich?

Diesen Text habe ich 1997 (d.h. zu einer Zeit, bevor staatlich die "eingetragenen Lebenspartnerschaften" eingeführt wurden und als die kirchliche Segnung von Homo-Paaren in der evangelischen Landeskirche sehr strittig diskutiert und noch nicht praktiziert wurde) als Leserbrief für die Bekenntnis-Schrift "Kein anderes Evangelium" sowie das konservativ-christliche Nachrichtenmagazin "Idea" geschrieben. Der Text wurde dort allerdings nicht abgedruckt - eines der Hefte reagierte überhaupt nicht, das andere antwortete kurz, dass sie derartige Texte nicht publizieren.

Stellungnahme zur Beurteilung von Homosexualität durch Bibel und Kirche

Homosexualität ist seit einigen Jahren ein bei Christen vieldiskutiertes Thema. Die Diskussion ist aufgeflammt anläßlich der von Homosexuellen gewünschten Segnungen bzw. Trauungen homosexueller Lebensbünde. Damit stellt sich für die christliche Gesellschaft die Frage, ob eine Bejahung des homosexuellen Lebensbundes dem Sinne Gottes entspricht oder als Sünde widerspricht.

Immer wieder höre ich in Gesprächen oder lese in christlichen Zeitschriften auf diese Frage die Antwort, Homosexualität sei eine Sünde, die Bibel sage "ein klares Nein zur Homosexualität".

Wie klar ist dieses Nein wirklich?

1) Biblische Aussagen

Die meistzitierten biblischen Aussagen zu diesem Thema möchte ich einzeln aufgreifen und diskutieren.

Dabei möchte ich mich zuerst auf all jene Verse beziehen, in denen unter einer Aufzählung von Unrechten Unzucht und Knabenschänderei genannt werden.

Mit Unzucht dürfte Promiskuität gemeint sein, eventuell auch vorehelicher Geschlechtsverkehr. Homosexuelle Promiskuität ist meiner Meinung nach mit demselben Maßstab zu bewerten wie heterosexuelle. Dieser Text soll aber keine Grundsatzdiskussion zur christlichen Bewertung hetero- wie homosexueller Promiskuität beinhalten, sondern vornehmlich eine christliche Beurteilung längerfristiger homosexueller Partnerschaften liefern.

Vorehelich/außerehelich ist natürlich jede homosexuelle Handlung, da eine homosexuelle Trauung ja bisher weder standesamtlich noch kirchlich durchgeführt werden darf. Aber auch in alten Zeiten wurde eine Ehe weniger durch eine offizielle Feier als durch die Art des Zusammenlebens begründet.

Knabenschänderei ist sicherlich nicht mit jeglicher gelebten Form homosexueller Beziehungen gleichzusetzen. Selbst wenn damit nicht der Mißbrauch von Kindern, sondern die Verführung von erwachsenen jungen Männern gemeint ist, hat das dennoch nichts mit einer gleichberechtigten Beziehung gleichberechtigter Partner zu tun. Ich möchte aber nur von Partnerschaften sprechen, die von beiden Partnern gewünscht und bewußt eingegangen werden.

Daher gehören auch die sogenannten Lustknaben nicht zu dem in diesem Rahmen diskutierten Personenkreis. Da sie wohl die Funktion einer Hure für homosexuelle Männer haben, fällt ihr Unrecht unter das Unrecht der Hurerei.

- Wenn also in entsprechenden Beurteilungen der Homosexualität 1. Tim 1, 8-11 oder 1. Kor 6, 9-11 angeführt werden, so ist zu beachten, daß hierin eine beidseitige homosexuelle Liebe nicht kritisiert wird, sondern das Unrecht der Hurerei, Knabenschänderei und Promiskuität. Man kann daher auch nicht aus 1. Kor 6, 11 (Aber ihr seid jetzt abgewaschen …) auf eine Heilbarkeit der homosexuellen Orientierung schließen. Und ob eine reife, gerechte homosexuelle Beziehung vor Gott vertretbar und möglich ist oder aber "der gesunden Lehre zuwider" (1.Tim 1,10) muss erst anhand anderer Bibelstellen überprüft werden.

- In Gen 19 und Ri 19 geht es jeweils um Vergewaltigungen. Die männlichen Dorfbewohner wollen sich über einen männlichen Gast "hermachen". Um diese Schandtat zu vereiteln, bietet ihnen der Gastgeber lieber seine jungfräulichen Töchter an. In Ri 19 gibt der bedrohte Gast seine Nebenfrau statt seiner den Vergewaltigungen preis, sie kommt dabei u.

Aus der Verurteilung homosexueller Gewalt in diesen Textstellen läßt sich wiederum keine Aussage über die Beurteilung der homosexuellen Liebe eines Paares herleiten. Hier bleibt jedoch die Frage, in welcher Weise die - mir eigentlich unverständliche - Herausgabe von Frauen an die Vergewaltiger die Schande mildert.

Eine mögliche Erklärung wäre durchaus die Vermeidung homosexueller Handlungen.

Dabei ist jedoch zu beachten, daß es hier nicht um homosexuelle Handlungen zwischen homosexuell empfindenden Menschen geht, sondern um eine homosexuelle Handlung an einem heterosexuell orientierten Menschen. Diesem heterosexuellen Menschen widerstrebt die Handlung, er empfindet sie daher als ganz besondere Demütigung.

Hier ist anzumerken, daß die gleichgeschlechtliche Sexualität von gleichgeschlechtlich liebenden Menschen nicht als demütigend empfunden wird.

Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß weniger die Vermeidung einer Tat homosexuellen Charakters im Vordergrund steht als die Vermeidung dieser Demütigung. Anstatt eines Mannes werden den Vergewaltigern Frauen angeboten, und zwar die jungfräulichen Töchter des Gastgebers und die Nebenfrau des Gastes.

1. Die Töchter:
Der Gastgeber möchte wahrscheinlich den Gast, den er wegen des Gastrechtes besonders schätzt, so gut wie möglich schützen, indem er den Dorfbewohnern das Beste gibt, was er hat: Jungfrauen, seine Töchter.
Ist ihm die Vermeidung der homosexuellen Handlung so viel wert oder das Recht eines Gastes?

Der Gedanke des Gastgebers, die Männer durch eine Jungfrau von ihrem eigentlichen Vorhaben abbringen zu können, läßt darauf schließen, daß er sie nicht ausschließlich für homosexuell hält. Die Tatsache, daß die Männer sich über die Nebenfrau hermachen, läßt darauf schließen, daß sie nicht ausschließlich homosexuell orientiert sind.
Sind sie bisexuell?
Begehren sie wirklich diesen Gast? Wohl eher nicht.
Wollen sie es nur um der Demütigung des Gastes willen tun?

Besteht die Schande gar nicht in der homosexuellen Handlung, sondern in der geplanten Demütigung des Gastes ohne wirklichen sexuellen Hintergrund (die Dorfbewohner begehren den Mann nicht)?

Geht es hier letztendlich gar nicht um Sexualität, sondern nur um die Ausspielung von Macht?

2. Die Nebenfrau:
Wieso wird eine Neben-Frau und keine der beiden Haupt-Ehefrauen ausgewählt?
Auch die Herausgabe einer Haupt-Ehefrau hätte die Vermeidung der homosexuellen Handlung zum Ziel. Geht es darum, ein Opfer möglichst geringer gesellschaftlicher Stellung zu finden und besteht eben darin die Milderung der Schande?

Auf jeden Fall dürfte klar sein, daß diese von einer Mehrzahl von Männern geplante Vergewaltigung einen höchst fragwürdigen Charakter hat. Es scheint nicht um homosexuelles Begehren zu gehen, es geht keinesfalls um homosexuelle Liebe, einzig und allein scheint die Provokation eines Gastes das Ziel zu sein - dazu wird eine gewalttätige Form der Sexualität genutzt, die nicht auf homosexuellen Gefühlen/Empfindungen zu basieren scheint.

Gen 19 und Ri 19 schildern daher den Mißbrauch einer Form von Sexualität. Es könnte sein, daß eine solche Vergewaltigung eines Einzelnen durch eine Vielzahl von Menschen etwas mit den fremdartigen Religionen zu tun hatte, die Israel umgaben.
Gen 19 und Ri 19 können in keiner Weise Hilfestellung bei der Beurteilung wirklich homosexuell empfindender Menschen leisten!

- Deutliche Verbote homosexuellen Verkehrs -unabhängig von dem Bestehen einer eventuellen Partnerschaft- finden sich jedoch im alttestamentlichen Heiligungsgesetz. Ich nenne hier Lev 18,22 (Du sollst nicht beim Manne liegen wie bei einer Frau; es ist ein Greuel) und Lev 20,13 (Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Greuel ist und sollen beide des Todes sterben, Blutschuld lastet auf ihnen.)

Der engere Kontext liefert jeweils eine Auflistung von Formen unerlaubten Geschlechtsverkehrs, und zwar nennen hier beide Kapitel außer dem gleichgeschlechtlichen Verkehr den inzestuösen Verkehr sowie Verkehr mit den Ehefrauen von Verwandten, auch sonstigen Ehebruch, Sex mit Tieren und Verkehr während der Menstruation. Das gesamte Gesetz umfaßt viele weitere Gebote und Verbote, deren heutige Gültigkeit zum Teil christlich unbestritten ist (auch Sätze zu dem Inhalt der 10 Gebote wie Regeln über Elternliebe, Ehebruch, Abgötterei, Diebstahl), in anderen Fällen aber auch von heutigen Christen nicht mehr als verbindlich angesehen wird (Regelungen über reines und unreines Essen, Verkehr während der Menstruation, Unreinheit von Menstruationsblut und nächtlichen Samenergüssen, Opfer- und Kleiderregeln).

Wer die Diskussion pro Homosexualität führt, beruft sich oft darauf, daß das Gesetz einen eher kultischen Charakter hat. Wer die Diskussion contra führt, weist auf die vielen noch heute verbindlichen Regeln und die Bestätigung des Gesetzes durch Jesus hin. Lev 19,18 (…Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst), Mt 5,17-18 (Ich bin nicht gekommen, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen, sondern zu erfüllen…Bis daß Himmel und Erde vergehe, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz…)

Allerdings sieht man an den obigen Beispielen, daß die meisten Christen nur einigen der Gebote/Verbote des alttestamentlichen Gesetzes noch heutige Gültigkeit zuschreiben, anderen nicht. Est stellt sich die Frage, nach welchem Kriterium sie dabei vorgehen, um zu entscheiden. Nach demselben Kriterium ist dann das Homosexualitäts-Verbot zu beurteilen.

Ich glaube, das Kriterium ist das Doppelgebot der Liebe (Mt 22, 37). Abgötterei und alles, was Menschen schadet, ist verboten. Ob die homosexuelle Liebe zweier Menschen irgendjemandem schadet oder Gott entehrt, ist anderweitig zu prüfen.

- Bei der Frage um die biblische Beurteilung von Homosexualität wird natürlich Röm 1, 24-27 nie fehlen: Darum hat sie auch Gott dahingegeben in ihrer Herzen Gelüste, in Unreinigkeit, zu schänden ihre eigenen Leiber an sich selbst, sie, die Gotttes Wahrheit haben verwandelt in Lügen und haben geehrt und gedient dem Geschöpf statt dem Schöpfer…Darum hat sie auch dahingegeben in schändliche Lüste, denn ihre Weiber haben verwandelt den natürlichen Umgang in den unnatürlichen, desgleichen auch die Männer…sind aneinander entbrannt in ihren Lüsten und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den Lohn ihrer Verirrung, wie es ja sein mutße, an sich selbst empfangen.

Das Verlangen nach einem gleichgeschlechtlichen Sexualpartner als Strafe Gottes, gleichgeschlechtlicher Verkehr als Schande und Verirrung. Falls mit der "Schändung der Leiber an sich selbst" Masturbation gemeint ist, dann sind Homosexualität und Masturbation gleichermaßen zu verurteilen. Die Textstelle scheint sich auf ein orgienhaftes Triebleben ohne Gefühle und Liebe zu beziehen, das die ganze Stadt ergriffen hat.

Unbestritten macht diese Passage eindeutig negative Aussagen zur Homosexualität als etwas Unnatürliches und Unreines. Von den genannten Textstellen ist sie die einzige, die eine generelle Ablehnung jeglicher Form von Homosexualität begründen kann.

Ich bitte den Leser zu entschuldigen, falls ich weitere Textstellen übersehen habe.

2) Einige weitere Gedanken

- Immer wieder warnen Christen, die in Homosexualität Sünde sehen, vor eigenwilligen Bibelinterpretationen, also vor dem Zerpflücken von Zusammenhängen, der Bejahung angenehmer Verse und dem Verwerfen unangenehmer. Zu solch eigenwilligen Bibelinterpretationen gehört z.B. die Überbewertung des Nächstenliebe-Gebotes, welche zu verantwortungsloser Toleranz führen kann, wo geistige Ermahnung nötig wäre. Auch eine eventuelle Fehlinterpretation der freundschaftlichen Liebe zwischen David und Jonathan (1. Sam 18,3 ; 1. Sam 20,17) wird oft aufgefüht (Und Jonathan schloß mit David einen Bund, denn er hatte ihn lieb wie sein eigenes Herz. Und Jonathan ließ David schwören bei seiner Liebe zu ihm…)

Wenn ich keine Schriftworte verwerfen darf, dann also auch nicht Röm 1. Im Zweifelsfalle sich widersprechender Schriftworte müssen wir uns vom Gebot der Liebe und nicht von der alten Gesetzlichkeit leiten lassen. Sofern sich aber verschiedene Schriftworte vergleichbaren inhaltlichen und geschichtlichen Hintergrundes finden, die einander nicht widersprechen, so haben wir keinen Anlaß, eines davon den anderen vorzuziehen bzw. hinter den anderen zurückzustellen.

Mit welchem Recht könnten wir also aus Röm 1 die generelle Verurteilung homosexueller Beziehungen zeitlos ableiten, wenn wir nicht mehr festhalten an der Gültigkeit der alten Geschlechterordnung, in der der Mann seiner Frau vorsteht?

Es finden sich doch in den neutestamentlichen Briefen etliche Verse über die untergeordnete Frau. Als Beispiele seien 1. Kor 11 (Christus ist eines jeglichen Mannes Haupt, der Mann aber ist des Weibes Haupt…der Mann ist Gottes Bild und Abglanz, die Frau ist des Mannes Abglanz; analog Eph 5, 22) und 1.Tim 2, 8-15 (…Einer Frau gestatte ich nicht, daß sie lehre, auch nicht, daß sie sich über einen Mann erhebe, sondern sie sei stille … analog 1. Kor 14, 34-36) genannt.

Die Emanzipation der Frau in der sozialen Gesellschaft hat auch ihre Stellung in der Gemeinde erhöht. Daß der Mann weiterhin Herr über das Weib ist und daß eine Frau nicht als Theologin lehren darf, glauben nur noch sehr konservative Kreise. Die entsprechenden Bibelverse werden also doch unter dem Gesichtspunkt zeitlicher Veränderungen betrachtet. Wieso nicht auch die Ansicht über die "Schandhaftigkeit" schwuler und lesbischer Liebe?

Ich möchte noch einmal betonen, daß in Röm 1 zudem nicht von homosexuellen Partnerschaften die Rede ist. Solche waren innerhalb der damaligen Gesellschaftsordnung ebenso unvorstellbar wie die Unabhängigkeit der Frau.

- Zur Geschlechterordnung noch einige Anmerkungen. Das Partriarchat erhob den Mann über die Frau. Es ist für die folgenden Überlegungen zunächst irrelevant, ob wir das Partriarchat als eine gottgewollte Ordnung oder nur als eine Gesellschaftsstruktur betrachten wollen bzw. können und müssen.
Betrachtenswert ist nämlich ein gewisser möglicher Zusammenhang zwischen Partriarchat und der Ablehnung gelebter Homosexualität.
Heterosexuelle Sexualität stellte nie einen Vorgang unter Gleichberechtigten dar.
Gleichberechtigte Sexualität war der vorwiegend heterosexuellen Bevölkerung also fremd. So sahen die Heterosexuellen im mann-männlichen Geschlechtsverkehr vermutlich eine zwangsläufige Erniedrigung eines der beiden Partner in eine weibliche Rolle, analog im lesbischen Verkehr die Selbsterhöhung einer Frau aus ihrer weiblichen in die männliche Position.
In dieser Hinsicht schien männliche wie weibliche Homosexualität das Patriarchat zu untergraben. Uns bleibt zu entscheiden, ob wir infolgedessen allein schon im Sexualverkehr zweier gleichberechtigter Menschen eine Untergrabung des göttlichen Willens sehen müssen.

- Im vorigen Abschnitt blieb u.a. offen, ob gelebte Homosexualität Gott entehrt. Oft wird diesbezüglich die gottgewollte Polarität Mann-Frau angeführt. Als Beweis für diese gelten Gen 2, 18 (Es ist nicht gut, daß der mensch allein sei. Ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei), Gen 2, 24 (Darum wird der Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und sie werden sein ein Fleisch) sowei der Fruchtbarkeitsauftrag (Gen 1, 28: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde…), dem ja nur in heterosexuellen Beziehungen Folge geleistet werden kann.

Schließt man aus diesen drei genannten Genesis-Zitaten, daß Gottes Plan von jeher und für alle Zeiten nur heterosexuelle Beziehungen enthält, kann wohlmöglich wirklich keine schwule oder lesbische Liebe vor ihm bestehen.

Die Bibel gibt in der Tat auch keine Regeln für homosexuelle Lebensgemeinschaften. Daraus scheint zu folgen, daß sie nur ein heterosexuelles Publikum ansprechen will. Allerdings richtet sich die Bibel auch immer deutlich an Männer. Das wird besonders deutlich an allen Geboten, die menschliche Sexualität betreffen und mit einem "Du" beginnen.

Dennoch erschien für mich immer klar, daß gläubige Frauen ebenfalls angesprochen seien und die Bibelworte auf sich übertragen müßten. Das bedeutet dann für eine heterosexuelle Frau z.B. im Falle von Ex 20,17 (Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib) "Du sollst nicht begehren deines Nächsten Mann" - und für eine Lesbe wiederum "Du sollst nicht deines/deiner Nächsten Frau begehren"!

"Du sollst nicht begehren deines Nächsten Knecht, Magd, Rind und Esel" bedeutet beispielsweise heute ja auch, daß ich nciht sein/ihr Auto begehren darf!
Übertragung der alten Inhalte in die heutige Zeit; Übertragung von Männern auf Frauen, obwohl ausdrücklich nur Männer angesprochen sind; Übertragung von Heterosexuellen auf Homosexuelle, obwohl ausdrücklich nur Heterosexuelle angesprochen sind.

Damit würden für Homosexuelle dieselben Regeln folgen bezüglich der Gestaltung einer Lebensgemeinschaft in Treue/Ehe, dieselben Regeln aber auch für sexuelle Unrechte (Ehebruch, Hurerei etc).

Ein Einwand köntne in einer dergestalten Interpretation des Fruchtbarkeitsauftrages bestehen, daß nach Gottes Willen Sexualverkehr nur zum Zwecke der Zeugung ausgeübt werden dürfe. In diesem Falle entspräche die Sünde von Homosexuellen der Sünde Heterosexueller, welche innerhalb ihrer Ehe schwangerschaftsverhütende Mittel anwenden.

3) Vorurteile

Unter der heterosexuellen Bevölkerung herrscht weitgehend große Unkenntnis über Homosexualität - eine Folge jahrhundertelangen Tabus. Da sich Lesben und Schwule aufgrund der Diskriminierung durch die Gesellschaft bis zur Verfolgung (siehe Drittes Reich) nie angstfrei so selbstverständlich wie heterosexuelle Menschen in ihren Partnerschaften zeigen oder über sie sprechen konnten, haben sich Nichtbetroffene -Christen wie Atheisten- ein verzerrtes Bild über sie gebildet.

Einige Vorurteile:

Alle Homosexuellen leben promiskuitiv und snd zu dauerhaften Beziehungen unfähig.

Es gibt bei Lesben und Schwulen ebenso Liebe und Treue wie bei Heteros. Ansonsten würde ja der Wunsch nach deiner eherähnlichen Trauung bei ihnen nicht bestehen.

Der Grund, warum Homosexuelle diesen negativen Ruf erhielten, liegt wohl hauptsächlich darin, daß sich längere Beziehungen immer schlecht vor den Mitmenschen verbergen lassen. Der/Die Homosexuelle mußte zu den verschiedenen Zeiten in der Geschichte immer mehr oder weniger Angst vor der Entdeckung seiner/ihrer Liebe haben. Diese Angst wirkte auf viele Beziehungen dauerhaft zerstörend, flüchtigere Kontakte wurden zum Teil bevorzugt.

Heterosexuelle Beziehungen wurden hingegen oft gerade duch die Ehe gefestigt, manchmal nur deswegen aufrechterhalten. Das Einführen einer Homosexuellen-Ehe würde vermutlich auf lesbische und schwule Partnerschaften ähnlich stabilisierend wirken.

Homosexuelle leiden unter ihrer Neigung

Das ist falsch. Viele Lesben und Schwule können sich gut als solche akzeptieren und haben oft auch heterosexuelle Menschen in ihren Freundeskreisen, die sie annehmen.
Homosexuelle leiden nciht unter ihrer Neigung, sondern unter den Reaktionen der Gesellschaft, die oftmals eine Partnerschaft erwartet (Beruf, Verwandte, Gemeinde), jedoch keine gleichgeschlechtliche.
Besonders leiden aber schwule/lesbische Christen, denen sich die Frage nach der Sündhaftigkeit ihrer Neigung stellt, um welche es ja in diesem Artikel geht. Solange die Gemeinde Homosexualität verurteilt, kann sich ein solcher Christ in ihr nicht wohl fühlen.
Solange nichtbetroffene Christen keine Gewißheit über den Willen Gottes in dieser Frage haben, sollte ihnen bewußt sein, was sie durch eine nicht-wohlüberlegte Verurteilung der Homosexualität bei diesen Christen zerstören.

Homosexualität ist heilbar

Das kann zumindest nach den vorigen Überlegungen nicht aus 1. Kor, 6-11 folgen.

Sogenannte "Heilungsberichte" von Homosexualität durch Jesus Christus erzählen meist die qualvolle Geschichte langer Gebete, z.T. öffentlicher Demütigungen, massiver Selbstzweifel. Schließlich enden die Berichte glücklich in Keuschheit oder Hetero-Ehe.

Heilung oder Resignation? - Mich erinnert der Verlauf stark an die Heilung von Linkshändigkeit : Schulverbote, die es den Schülern nicht gestatten, mit ihrer linken Hand zu schreiben, Strafen wie Schläge oder das Verbinden der Hände führten durchaus zu Erfolgen in der Vergangenheit. Die betroffenen Schüler litten unter der Krakeligkeit ihrer Handschrift und der Verspottung durch die Mitschüler sowie unter den Bestrafungen, doch schließlich eigneten sie sich das "richtige" Schreibvermögen an.

Homosexuelle wollen provovzieren

Homosexuellen wird eine Verletzung der Diskretion und das bewußte Mißachten des öffentlichen Schamgefühls vorgeworfen, wenn sie auch vor anderen Menschen die gegenseitige Zuneigung innerhalb ihrer Beziehung zeigen, etwa durch das Halten der Hände, Umarmungen oder Küsse. Der heterosexuellen Mehrheit wäre es am liebsten, wenn über homosexuelle Beziehungen nicht einmal gesprochen würde.
Ist es denn nicht natürlich, wenn Menschen, die in Beziehungen leben, über den Menschen, den sie lieben, auch sprechen wollen? Sollen sie ihre Beziehung wirklich geheimhalten, damit es bloß keiner merkt?
Es handelt sich ja nicht um Zuneigungsbeweise, die nicht auch in heterosexuellen Beziehungen üblich wären.

Homosexuelle fordern die Ehe nur aus Provokation

Da heißt es, Homosexuelle wollen nur auf sich aufmerksam machen, prunkvolle Hochzeiten feiern. Bei einigen Heterosexuellen ist das sicher genauso, sie heiraten gern in Weiß und kehren der Kirche ansonsten den Rücken. Eine Trauung sollte mehr bedeuten als nur schönes Feiern.

Aber wer unterstellt, daß Homosexuelle nicht ebenso wie Heterosexuelle den Wunsch haben können, einen Lebensbund vor Gott zu schließen?
Daß es nicht auch bei ihnen darum geht, einander und vor Zeugen Treue und Liebe bis zum Lebensende zu versprechen und um Gottes Segen zu bitten?

Sicherlich wird es auch bei Homosexuellen Scheidungen geben. Ich finde, eine kirchliche Trauung sollte bei Homo- wie Heterosexuellen auf christlichen Grund bauen.

Man sagt, Homosexuelle würden krichliche Trauungen nur fordern, um das Verlangen nach einer standesamtlichen zu unterstreichen. Ich glaube, das steht in keinem Zusammenhang. Ich finde es natürlich, daß homosexuelle Paare den Wunsch nach demselben staatlichen Schutz haben, den heterosexuelle Paare genießen - auch was das für Ausländerrecht, Steuervorteile usw. bedeutet.
Vielen Heterosexuellen widerstrebt das, da der besondere Schutz von Ehe und Familie untergraben zu sein scheint. Was aber unterscheidet eine auf Dauer angelegte schwule/lesbische Partnerschaft von einer bewußt kinderlosen heterosexuellen Ehe? Was rechtfertigt den stärkeren Schutz einer kinderlosen Hetero-Ehe, wenn nicht der Glabue an Gott eine homosexuelle Liebe von vorneherein verbietet?
Vielleicht sollte der besondere Schutz, wenn überhaupt notwendig, nur Ehen mit Kindern zukommen.

4) Schlußbemerkungen

Christen müssen sich fragen, welche Verhaltensweisen vor ihrem Gott in Ordnung sind, und welche nicht. Auch sind wir zur gegenseitigen Ermahnung im Herrn verpflichtet.
1. Thess 5, 11: "Darum ermahnet euch untereinander und erbauet einer den anderen."
Aber dazu ist es wichtig, daß wir nicht vorschnell urteilen, sondern gründlich prüfen, was Gott zum jeweiligen Thema zu sagen hat.
1. Joh 4, 1-3: "Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind; dess es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt. Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen: ein jeglicher Geist, der da bekennt, daß Jesus Christus ist im Fleisch gekommen, der ist von Gott; und ein jeglicher Geist, der Jesus nicht bekennt, der ist nicht von Gott."
Die Bibelstellen zur Homosexualität zu prüfen und die vorschnelle Beurteilung zu hinterfragen, war Ziel dieses Textes. Die Frage, ob Homosexualität Jesus bekennt oder nicht, klingt für unsere Ohren etwas merkwürdig. Vielleicht lautet eine angemessene Formulierung, ob das Akzeptieren homosexueller Lebensformen unter uns den Geist Jesu bekennt.

Ein weiterer Bibelvers hierzu:
In 1. Tim 4, 4-5 steht: "…Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird, denn es ist geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet."
Der Text bezieht sich auf die heterosexuelle Eheschließung und auf Speisen, die nach dem alten Gesetz als unrein galten.

Kann nicht auch eine homosexuelle Liebe in Dankbarkeit von Gott empfangen werden?
Wird sie dadurch geheiligt?

Ich glaube, daß ein Schwuler/eine Lesbe ebenso im Gebet Gott um den richtigen Partner/die richtige Partnerin bitten darf und kann, wie es heterosexuelle Männer und Frauen tun dürfen und können. Daß Schwule und Lesben Gott für ihre Beziehungen danken dürfen und um seinen Segen dafür bitten.
Ich glaube hingegen nicht, daß die in der Bibel erwähnten homosexuellen Sünden der Vergewaltigung und der Knaben- und Hurenschänderei in Dankbarkeit vor Gott begangen werden können.

Ich schließe mich nicht der Meinung an, daß homosexuelles Zusammenleben nur dann mit dem christlichen Glauben vereinbar ist, wenn innerhalb der Lebensgemeinschaft auf Sexualität/Geschlechtsverkehr verzichtet wird. Zu einer ganzheitlichen hetero- wie homosexuellen Beziehung gehört ein Sexualleben dazu. Zur Vermeidung von sprachlichen Mißverständnissen weise ich darauf hin, daß die Begriffe "homosexuelle Liebe" und "homosexuelle Beziehung" entsprechend immer den homosexuellen Verkehr beinhalten, aber nicht auf diesen zu reduzieren sind.

Sofern nun manche Christen zu der Ansicht gelangen, daß homosexuelle Lebensgemeinschaften ethisch und christlich verantwortlich dankbar vor Gott geführt werden können und dürfen, werden sie dennoch bei vielen Christen vorerst noch Anstoß erregen. In gewisser Wise ist die Streitsituation dann mit dem apostolischen Streit ums Götzenopferfleisch zu vergleichen (siehe 1. Kor 8,9 und 1. Kor 10,23ff)

In diesem Streit wird nciht nur eine große Freiheit erteilt, sondern auch dazu gemacht, diese nicht den Schwachen zum Anstoß geraten zu lassen (1.Kor 8,9). Gerade bei der besonderen Streitfrage um homosexuelle kirchliche Amtsträger ist das zu beachten.
Man darf aber auch nicht vergessen, daß es für die Betroffenen nicht nur um den Verzicht auf eine Mahlzeit, sondern eine ihnen angemessene Lebensführung geht!

Unter der Voraussetzung, daß sich Homosexualität und christlicher Glaube nicht widersprechen, muß die Kirche auch Vorbildfunktion im Abbau homosexueller Diskriminierungen leisten!

Es geht daher nicht an, daß homosexuelle kirchliche Mitarbeiter aufgrund ihrer Homosexualität vom Dienst ausgeschlossen werden. Trotzdem sollte eine homophobe Gemeinde nicht gegen ihren Willen mit einem homosexuellen Pfarrer/einer homosexuellen Pfarrerin konfrontiert werden, um tägliche Reibereien innerhalb der Gemeinde zu umgehen. Da die Gemeinden jedoch starken Einfluß auf die Auswahl ihrer Pfarrer haben, dürfte eine solche Situation leicht zu vermeiden sein. In toleranteren Gemeinden spräche hingegen nichts gegen den Amstantritt eines Schwulen/einer Lesbe.
Generell kann kirchlichen Amtsträgern ein Privatleben nicht verboten werden, das mit der christlichen Lehre vereinbar ist. Ein homosexueller Pfarrer oder Bischof muss seine Beziehung gegebenenfalls mit derselben Offenheit bzw. Diskretion leben können wie ein heterosexueller.

Weil für homosexuell empfindende Menschen sehr viel davon abhängt, ob ihre Lebensweise als sündhaft zu betrachten sit oder nicht, muß diese Frage kritisch geprüft werden. Dabei ist jedoch unbedingte Bereitschaft gefordert, sich wirklich mit dem Thema und den beurteilenden Bibelzitaten zu befassen. Bibelaussagen über spezielle Sexualsünden homosexuellen Charakters dürfen nicht unbedacht auf homosexuelle Partnerschaften verallgemeinert werden. Der beurteilende Christ darf sich nicht von seinen persönlichen Gefühlen der Ablehnung oder Abscheu, Unsicherheit oder Ängsten leiten lassen - im Zweifelsfall muß er nach dem Geist des Evangeliums und der Liebe fragen. Auch sollte die eigene Meinung im Gebet immer wieder vor Gott hinterfragt werden. (1. Jak 1, 5: So es jemandem unter euch an Weisheit mangelt, der bite Gott, der da gern gibt jedermann…)

In diesem Sinne bitte ich den Leser abschließend, seine eigene Meinung zur Homosexualität neu zu überdenken. Lassen auch Sie sich ermahnen, ermahnen Sie sich selbst und prüfen auch Sie Ihre Meinung vor Gott. Ich denke, es muß unbedingt vermieden werden, daß homosexuelle Christen aufgrund ihrer Orientierung aus Angst vor eigener Sünde und an Diskriminierung leiden müssen, falls gar kein sündhafter Tatbestand vorliegt.


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