Persönliche TexteBlog

Anfang einer Dreiecks-Beziehung: Fetisch, Sex und ~Liebe

“Über das Scheitern der Spielbeziehung an der Liebe” - so heißt das Schwerpunktthema dieser Schlagzeilen-Ausgabe. Bis vor kurzem wäre mir wenig eingefallen, was ich hier schreiben könnte. Auch jetzt ist meine derzeitige wunderbare Zweitbeziehung (noch) nicht an der Liebe gescheitert. Aber wir beginnen, über Liebe zu reden. Vorsichtig, in Anführungszeichen. SIE macht eine Tilde vor jedes Wort in einer Email, bei dem sie sich nicht sicher ist, ob die Formulierung wirklich treffend gewählt ist: “Ich ~liebe dich.”

Ich setze Anführungszeichen und spreche von unserer “Beziehung”. Eine “Beziehung”, die keine/r von uns gesucht hat. SIE und ER und ich. Eine klassische(?) MWW-Beziehung, die niemand von uns angestrebt hatte. Aber ist es eine Beziehung, “Beziehung” oder ~Beziehung?

Jedenfalls sind SIE und ER zusammen. Und ich komme aus einer offenen Partnerschaft, wo mein Pendant seit kurzem auch noch eine Parallelbeziehung angefangen hat. Wir sind also so richtig poly! Polyamor zumindest, falls Liebe = Amor im Spiel ist. Woher wissen wir, wann das der Fall ist?

ER hat mir in einer Whatsapp geschrieben: “Ich mag dich sehr, aber ich bin nicht verliebt.”

SIE hat definiert: “Wenn man verliebt ist, dann ist die Verbundenheit sehr intensiv, man denkt dann schier dauernd an die andere Person, vermisst sie unvernünftig stark, wenn sie nicht da ist, hofft sehr intensiv/häufig, dass es ihr gut geht und man bald wieder einander nahe sein kann - auch körperlich.” All diese Symptome hatte sie mir vorher schon unabhängig von dieser Definition geschildert, mich also unvernünftig stark vermisst und oft an mich gedacht und gehofft, dass es mir gut gehe.

Ich habe IHR gemailt: “Es könnte sein, daß SEIN Mich-Mögen und mein IHN-Lieben exakt dasselbe Level haben, nur dass wir es nicht merken, weil wir es unterschiedlich bezeichnen”.

Ich habe behauptet, daß ich BEIDE liebe, aber nicht romantisch. Ist (erotische) Liebe immer romantische Liebe?

Ganz schön verzwickt!

Und wie kam das alles auf? Es fing mit einer ganz “normalen” Fetisch-Spielbeziehung an. Sie haben ihren Fetisch, ich habe meinen, eigentlich gibt es keine Überlappungen. Es gab nur Neugier. Es gab harmlose Fetisch-Sessions, es folgten Steigerungen um Steigerungen, es gab heftigen Fetisch-Sex. “Ich bringe euch Geilsein bei, ihr mir Erotik” habe ich gesagt, als ER mich zärtlich geküsst und verführt hat in einer nie geahnten Weise, die mich in Hingabe zerschmelzen ließ, und umgekehrt habe ich SIE von einem Orgasmus zum nächsten katapultiert und SEINER Körperlichkeit neue Türen eröffnet, worauf sie nur staunend fragten: “Was war das denn, bitte?”

Mit beiden Beinen mitten im Leben. Fest.
Hab alles schon gesehen, laut und bunt.
So viel Unglaubliches erlebt. So! Viel!
Dann kommst Du und hebst mich mit zwei Fingern
weit über meinen kleinen Tellerrand …

So hat SIE es mir nach dem allerersten Treffen schon gedichtet. ER hatte “außergewöhnliche” Höhepunkte dank meiner Ermunterung, daß Sex nicht immer “höflich” bleiben muß, und ich habe das Wort “Erotik” erstmals als etwas anderes als nur einen Euphemismus für Sex im Werbe-Jargon oder für etwas Nichts-Halbes-und-Nichts-Ganzes hinsichtlich halbeingestandenen Begehrens erlebt, sondern als eigenständige Praktik, die hervorragend mit Fetischismus kombiniert werden kann - und ich habe dabei mehr gezittert, als wäre ich heftigst verhauen worden oder hätte irgendwas “Krasses” aus der Welt des Painplay neu probiert. Was ich übrigens auch mit IHNEN möchte: momentan planen wir, durch meine Schamlippen hindurch Nägel auf ein Holzbrett zu schlagen.

Aber dann kam die Sache mit dem ~Alltag und der ~Liebe. “Irgendwann müssen wir auch mal über Alltag reden, wenn das so weitergeht” hat SIE gesagt - da kannten wir einander erst knappe drei Wochen und ER litt unter Schlafentzug, ich unter Aufschieberitis bzgl. meiner eigenen Alltagspflichten. Aber ich glaube/glaubte, SIE hat/hatte nicht nur das gemeint. SIE sprach nämlich sogar von Aspekten, die eher ein Zusammenleben betrafen, inzwischen hatte ich meine Zahnbürste und meine Bettwäsche dort und wurde auch immer öfter zum Essen eingeladen, was seitens der beiden nicht zwangsläufig sexuell/erotisch/fetischistisch konnotiert hätte sein müssen - aber ich brachte immer diese Aspekte mit in die Begegnungen hinein und damit deren Zeitpläne durcheinander. Und meine. Kann es so weitergehen? Brauchen wir mehr gemeinsamen Alltag, oder weniger gemeinsame Zeit? Das sind -nachdem wir einander nun 5 Wochen kennen- die akuten Fragen.

Allein das Wort Alltag erschreckt mich. Nach dem ersten Date, in welchem sich das Verhältnis von sexueller zu nichtsexueller Aktivität zu Gunsten des Nichtsexuellen verschob, war ich auf der Flucht. Bin nachts aus dem Bett aufgestanden und wollte einfach nur raus aus der Wohnung des Paares, zurück in meine eigene Einsamkeit. Warum? Und warum bin ich trotzdem nicht gegangen, sondern nur einmal um den Block gelaufen und pünktlich zum geplanten Weckerklingeln doch zurückgekehrt?

Ganz klar: ich habe Angst, dass unser tolles “Wir entdecken die Welt neu, von supersoft bis ultrahart, von zärtlich-sanft bis hirnlos-geil”-Sexperiment an ~Alltag und an ~Liebe scheitert. Und das will ich auf keinen Fall. In bislang nur vereinzelten Nächten, wo die Vernunft uns nur einen Quickie statt eines Exzesses erlaubte, oder an Abenden, wo ER von Müdigkeit geplagt war, litt die Fetisch-Qualität dramatisch. Also “zurück auf Los” und lieber “selten & geil” statt “oft & alltagstauglich”?

“Mein Pärchen” hat Verständnis gezeigt und mir gestattet, “einfach nur zum Ficken & zum Spielen” zu kommen, bei ihnen meinen Alltag auszuschalten und mich in der Welt des Fetischs zu vergessen - so wie ich es sonst bei meinen anderen Affären auch mache. Hab ich ihnen ja lang und breit erklärt. Sie würden sich auf dieses Konzept auch einlassen, obwohl sie sowas sonst nicht machen und gemeinsamen ~Alltag sehr schätzen. SIE dachte anfangs beinahe automatisch ans Zusammenziehen, aber seit ich den Vergleich zu einer Fernbeziehung vorgeschlagen hatte, ist auch trotz räumlicher Nähe für SIE selteneres Treffen denkbar geworden - als würden uns viele Kilometer trennen. Aber plötzlich will ich das nicht mehr!

Unglaubliche Geduld seitens der beiden gewährt mir all meine Freiheit. Also warum denke ich jetzt plötzlich doch an “mehr” und bedaure, ihnen keine “nichtsexuelle Alltagstauglichkeit” bieten zu können? Und warum fühle ich mich zugleich so geschmeichelt, daß sie mir Alltag anzubieten scheinen? Und habe doch weiterhin das Gefühl, diesen zurückweisen zu müssen: an Liebe glaubend, aber die Lust nicht verlieren wollend?


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